Skip to content

Die geschlossene Zimmer

19 octubre, 2024

Als Laura das alte Haus ihres Großvaters erbte, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Das Haus, gelegen in einer abgelegenen Straße und mit Efeu bewachsen, war ein architektonisches Juwel, trug jedoch auch eine geheimnisvolle Aura. Bei ihrer Ankunft fand sie das Haus in einem Zustand der Verwahrlosung vor, jeder Raum dunkel und staubig, als wäre die Zeit stehen geblieben. Doch es war das zweite Stockwerk, das ihre Aufmerksamkeit wirklich fesselte. Am Ende des Flurs stand eine verschlossene Tür, einsam und unheilvoll.

Die Nachbarn hatten Laura vor diesem Raum gewarnt. „Er sollte niemals geöffnet werden“, sagten sie zu ihr. „Die Familie deines Großvaters hatte Gründe, ihn geschlossen zu halten.“ Die Warnung hallte in ihrem Kopf wider, aber ihre Neugier war stärker. Tagelang beschäftigte sie sich mit dem Gedanken an den verschlossenen Raum und fragte sich, welche Geheimnisse er verbarg. Nachts umhüllte sie die Stille des Hauses, und die Echos ihres eigenen Atems schienen sich zu verstärken.

Eines Nachmittags, bewaffnet mit einem Dietrich, den sie unter den Sachen ihres Großvaters gefunden hatte, näherte sich Laura der Tür. Das Gefühl, dass etwas sie beobachtete, wuchs in ihr, aber sie konnte nicht umkehren. Mit einem Klick gab das Schloss nach, und die Tür knarrte, als sie sich öffnete und im Flur widerhallte. Als sie die Schwelle überschritt, umhüllte sie ein kalter Luftzug, und die schwere Luft machte es schwer zu atmen.

Der Raum war ein kleiner, düsterer Ort, umhüllt von einer fast greifbaren Dunkelheit. Die Wände waren mit alten Porträts bedeckt, deren Augen schienen, sie zu verfolgen. In der Mitte stand ein Tisch, der mit einem weißen Tuch bedeckt war, und als sie es abnahm, entdeckte sie eine Reihe seltsamer Objekte: abgenutzte Puppen, Gläser gefüllt mit bunten Flüssigkeiten und ein altertümlich aussehendes Tagebuch.

Als sie durch das Tagebuch blätterte, stellte sie fest, dass es ihrem Großvater gehört hatte. Die Seiten waren mit beunruhigenden Zeichnungen und Beschreibungen dunkler Rituale gefüllt. Ihre Hände begannen zu zittern, als sie von einem Wesen las, das angeblich den Raum bewohnte, etwas, das die Ängste und Wünsche derjenigen manipulieren konnte, die eintraten.

Plötzlich hörte sie ein Flüstern hinter sich, ein leises Geräusch, das schien, aus den Wänden zu kommen. „Lass mich raus“, sagte eine verzerrte Stimme. Lauras Herz begann zu rasen. Sie drehte sich um, aber der Raum war leer. Mit jedem Wort, das sie las, wurde die Luft kälter, und das Gefühl, beobachtet zu werden, intensivierte sich. „Lass mich raus“, wiederholte die Stimme, und diesmal klang sie näher, eindringlicher.

In einem Anfall von Panik rannte Laura zur Tür, aber sie stellte fest, dass sie verschlossen war. Sie drehte sich zurück zum Raum, ihr Geist war im Chaos, und sah, dass sich die Porträts verändert hatten. Die Gesichter ihrer Vorfahren schienen sich zu verzerren, ihre Augen jetzt voller Verzweiflung. „Du hättest die Tür nicht öffnen sollen“, flüsterten sie im Chor.

Verzweifelt begann sie, gegen die Tür zu hämmern, aber es gab keine Antwort. Die Stimme wurde lauter und hallte in ihrem Kopf wider. „Hilf mir, Laura.“ In diesem Moment tauchte ein Schatten aus der Dunkelheit auf. Es war eine lange, amorphe Gestalt, mit einem Gesicht, das sich veränderte und die Gesichter derjenigen zeigte, die dort gefangen waren.

Laura fühlte eine Mischung aus Horror und Mitgefühl. „Was willst du von mir?“ fragte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Befreie mich“, sagte das Wesen und streckte eine Hand in ihre Richtung aus. Laura wurde klar, dass sie etwas mehr als ihre Neugier entfesselt hatte; sie hatte einen uralten Schrecken losgelassen. Der Schatten begann sich zu nähern, und Laura fühlte, wie die Zeit stillstand.

In einem letzten Versuch erinnerte sie sich an die Worte ihres Großvaters über den Raum und seinen Zweck. Mit dem Tagebuch in der Hand las sie laut einen Abschnitt, der eine Warnung zu enthalten schien. Plötzlich hielt der Schatten inne, zuckte mit einem herzzerreißenden Schrei zurück. Der Raum begann zu beben, und die Wände schienen sich um sie zusammenzuziehen.

Als sie schließlich die Tür öffnen und hinaustreten konnte, fühlte sich das Haus anders an. Es herrschte eine überwältigende Stille, aber das Gefühl, gefangen zu sein, war verschwunden. Doch als sie zurückblickte, sah sie, dass der Raum wieder geschlossen war, die Tür versiegelt. Laura wurde klar, dass sie etwas zurückgelassen hatte: ihren Großvater, den Schatten oder vielleicht einen Teil von sich selbst.

Als sie sich von dem Haus entfernte, flüsterte der Wind durch die Bäume und trug die Warnung davon. Auch wenn sie entkommen war, wusste sie, dass die Dunkelheit immer lauern würde, darauf wartend, dass ihre Neugier sie zurück zum verschlossenen Raum führte. In ihrem Kopf blieb eine Frage bestehen: Hatte sie wirklich entkommen, oder hatte der Raum sie für immer gefangen?